Beitrag im Online Magazin TÜV Süd – 2. Teil
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Serie: Meine Welt, deine Welt – veröffentlicht im TÜV Online Magazin am 04.06.2018
Kollegentypen im Portrait: der „Unscheinbare“
In unserer Serie „Meine Welt, deine Welt“ stehen die Charaktere unserer Arbeitskollegen im Fokus. Die Expertin Susanne Päpper erklärte im ersten Teil, was den „Überfürsorglichen“ ausmacht, und wie man mit ihm am besten umgeht. Im nächsten Teil steht ein zurückhaltenderer Charakter in der Analyse.
Dieser Kollegentyp fällt meist gar nicht auf
In proaktiven Jobs, in denen man auf andere Menschen zugehen muss, werden Sie diese Person nicht antreffen: den Unscheinbaren. Dieser Charakter arbeitet gern in großen Gruppen oder ganz allein, ergreift selten das Wort und bleibt im Hintergrund. Aus Angst sich selbst angreifbar zu machen, versucht er so wenig wie möglich aufzufallen – sowohl negativ als auch positiv. Dabei handelt er unterbewusst, denn der Unscheinbare lernte bereits in der Kindheit, dass dieses Verhalten ihn voranbringt. „Häufig stammt ein zurückhaltender Charakter aus einem Haushalt, der sehr autoritär ist, in dem viele Geschwister sind oder die Eltern schnell laut werden. Das Kind merkt sich dann, je weniger es sagt und tut, desto mehr Ruhe und Entspannung hat es“, sagt Expertin Susanne Päpper. Gleichzeitig hat die Person kontinuierlich das Gefühl, nicht gehört und nicht gesehen zu werden und erfüllt die eigenen Bedürfnisse nicht.
Unsichtbar zu sein ist eine Selbstwahrnehmung
Doch die geringe Wertschätzung wird nicht von außen erzeugt: Unsichtbar zu sein ist ein Empfinden, eine eigene Wahrnehmung. Dieser Charakter gehört meist sogar zu der Person, die im Team von allen gemocht wird. Sie mischt sich nicht ein und stellt sich nicht in den Vordergrund. Dabei dient das zurückhaltende Verhalten als Schutzfunktion, denn vor der Aufmerksamkeit hat der Unscheinbare Angst. Er handelt nach dem Glaubenssatz: „Solange ich unsichtbar bin, kann ich nichts falsch machen.“ Wenn die Person im Arbeitsalltag dann dominante Kollegen trifft, verhalte sie sich lieber ruhig, so Susanne Päpper. Gleichzeitig wünscht sie sich mehr Aufmerksamkeit und ist traurig darüber, sie nicht zu bekommen. Durch die abwartende Haltung und die Angst davor, etwas falsch zu machen, kann der Unscheinbare zudem sein Potenzial nicht entfalten. Er steht sich und seinem Erfolg selbst im Weg. „Wenn keine Aktion erfolgt, erfolgt von der Person auch keine Reaktion. Sie lässt sich aber gut fördern“, so Päpper.
So gehen Kollegen am besten mit dem Unscheinbaren um
„Oft ist das Problem, dass andere gar nicht merken, dass die Person sich zurückzieht und unglücklich ist. Deshalb nennt man sie auch unscheinbar“, gibt die Expertin zu bedenken. Der Chef kann bewusster schauen, welcher Mitarbeiter sich selten zu Wort meldet und wer kontinuierlich im Hintergrund bleibt. So kann die Person direkt angesprochen und es können ihr Aufgaben übertragen werden, in denen sie lernt, auf Menschen zuzugehen. Auch im Meeting können Kollegen darauf achten, die Meinung des Unscheinbaren zu erfragen. Besonders wichtig ist die Validierung: Positive Wertschätzung hilft, das Selbstvertrauen zu steigern. Aber in diesem Fall wirkt sie nur in einem gewissen Maße. „Tun Sie zu viel, fühlt sich die Person unter Druck gesetzt, weil sie zu sehr im Fokus steht und zieht sich wieder zurück. Hier ist viel Fingerspitzengefühl gefragt“, sagt Susanne Päpper.
Das kann der Unscheinbare an sich ändern
Mit dem Aufbau des Selbstwertgefühls und Verändern von Glaubenssätzen würde man in einem Coaching beginnen. Außerdem sollte die Person lernen, dass sie ihre eigene Meinung haben und vertreten darf. Die Eigenwahrnehmung sollte sie ebenso verbessern, denn häufig sieht sie andere als besser, hübscher und intelligenter an, obwohl das nicht stimmt. Eine positivere Einstellung ist beim Unscheinbaren der Schlüssel zum Erfolg.