Beitrag im Online-Magazin TÜV Süd – 1. Teil
https://in.tuev-sued.de/arbeitsalltag/ueberfuersorglich/
Arbeitsalltag
Meine Welt, deine Welt: der Kollegentyp der „Überfürsorgliche“
veröffentlicht im TÜV Online Magazin am 7. Mai 2018
Die engagierte Art dieses Charakters stößt im Arbeitsalltag nicht nur auf Zuspruch. Die Business-Trainerin Susanne Päpper gibt Ratschläge, wie Kollegen am besten mit einer überfürsorglichen Person umgehen, warum dieser Charakter sich so involviert und wie er sein Verhalten anpassen kann.
Das kennen Sie bestimmt auch: Im Arbeitsalltag stoßen verschiedene Charaktere aufeinander. Nicht alle entsprechen der persönlichen Vorliebe und manche würden Sie privat meiden. Doch ein professioneller Umgang ist die Voraussetzung für eine produktive Zusammenarbeit. In unserer Serie „Meine Welt, deine Welt“ erklärt Business-Coach Susanne Päpper, welche Kollegentypen es gibt, welche Merkmale die Charaktere ausmachen und mit welchen Methoden beide Seiten trotz persönlicher Diskrepanzen ein angenehmes und erfolgreiches Arbeitsumfeld schaffen.
Dieser Kollegentyp ist immer zur Stelle
Er kommt häufig in sozialen Berufen und in Büros vor, kümmert sich um das Wohl der Kollegen und hilft, wo er nur kann: der Überfürsorgliche. Charakteristisch ist für diese Person der bedingungslose Einsatz am Arbeitsplatz. Diese Person – ob Frau oder Mann – übernimmt Aufgaben, auch wenn sie selbst schon genug zu tun hat, kennt ihre eigenen Bedürfnisse nicht und überschreitet daher unbewusst Grenzen – die eigenen körperlichen und seelischen, aber auch die der Mitarbeiter. Als Business-Coach hat Susanne Päpper Erfahrung mit der Entstehung und Lösung von Konflikten in Teams: „Mitarbeiter, die das Bedürfnis haben, alle Kollegen glücklich zu machen, haben dieses Verhalten bereits in der Kindheit gelernt. Durch Lob für das Erledigen von Aufgaben und das Erkennen der Bedürfnisse anderer prägen sie sich ein, dass sie ihr Gegenüber so zufriedenstellen und Anerkennung erfahren können.“ Susanne Päpper schätzt das Verhalten der Person als eine Art Daseinsberechtigung ein, da diese Person dächte: „Ich bin für das Wohl der anderen da, das ist mein Wert auf der Welt zu sein.“
Gründe, weshalb dieser Charakter in seinem Arbeitsumfeld aneckt
Das übermäßige Engagement stößt bei den Mitarbeitern allerdings nicht nur auf Zustimmung. „Nicht jeder möchte ständig unterstützt werden, doch die Person lässt sich von der Hilfe nicht abbringen“, so Susanne Päpper. Der Person empfindet ihr Engagement als selbstverständlich und lehnt Unterstützung häufig selbst ab, wodurch Kollegen das Gefühl entwickeln, in der Schuld des Überfürsorglichen zu stehen. Auch versperrt die Person anderen Mitarbeitern durch ihren intensiven Einsatz die Chance, bei anfallenden Tätigkeiten wie der Planung von Betriebsfeiern selbst aktiv zu werden. Der Überfürsorgliche schätzt die Anerkennung der Kollegen und kann durch die starke emotionale Belastung Kritik an seiner Arbeit persönlich nehmen.
So gehen Kollegen am besten mit dem Überfürsorglichen um
Da er meist selbst nicht mit der Arbeitssituation zufrieden ist, hilft es, für eine geregelte Aufgabenverteilung zu sorgen. Eine Lösung: Erstellen Sie eine Liste aller Tätigkeiten und deren Verantwortlichen. Sie schafft einen klaren Überblick und sorgt für ein besseres Gleichgewicht. Auch ein bewussterer Umgang miteinander und das Bedanken für die Erledigung alltäglicher Aufgaben kann helfen. „Nehmen Sie nicht jedes Angebot des Überfürsorglichen an und erklären Sie ihm auch gleich, warum Sie die Aufgabe lieber selbst erledigen. So fühlt sich die Person nicht gekränkt“, rät Päpper, „Wenn Sie die Hilfe doch in Anspruch nehmen, vereinbaren Sie gleich eine Gegenleistung und übernehmen eine Aufgaben, die Ihnen gut liegt.“ Ein freundlicher Gesprächston ist maßgeblich für den Erfolg, da das Verhalten des Überfürsorglichen aus einem wohlwollenden Gedanken entsteht, genauso wohlwollend sollten auch Kollegen ihm gegenübertreten.
Auch der Überfürsorgliche muss an sich arbeiten
Damit sich das Arbeitsklima ändern kann, muss auch der Überfürsorgliche seine Verhaltensweise reflektieren. „Auf Dauer kann das intensive Engagement zu langfristigen Schäden wie Depressionen oder psychosomatischen Störungen führen. Auch Burnout und Alkoholmissbrauch sind keine Seltenheit“, gibt Susanne Päpper zu bedenken. „Er muss lernen, ‚Nein‘ zu sagen. Es ist nicht egoistisch, Aufgaben abzugeben und um Hilfe zu bitten. Außerdem muss er verstehen, dass sein Verhalten keineswegs selbstlos ist. Er handelt zwar unterbewusst, hilft anderen aber, um Lob und Anerkennung zu erfahren und damit es ihm selbst gut geht“, sagt Päpper weiter. Damit ein konstruktives und umgängliches Arbeitsklima herrscht, muss jeder Mitarbeiter erst einmal die eignen Aufgaben erledigen. Nur wer seine eigenen Bedürfnisse erfüllen und auf sich selbst Acht geben kann, kann etwas für andere tun.
Die Expertin
Susanne Päpper lebt und arbeitet als Trainerin und Coach in Niedersachsen und Hamburg. Für Päpper steht der Mensch immer im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Sie arbeitete mehrere Jahre im internationalen Management im Schiffsaus und -neubaus und war mitverantwortlich für Projekte in verschiedenen Ländern, zuletzt in Brasilien. Dadurch verfügt Susanne Päpper über ein kulturell übergreifendes Wissen, Konflikte in Teams zu lösen und Kommunikationskonzepte zu erstellen. Erfolgreiche Coachings führte sie auch im Einzelhandel durch, beispielsweise als Konflikttrainerin im Gesamtbetriebsrat der ZARA AG.